Rückblick: Workshop mit Andreas Wieland zum Thema „Interdisziplinäre Forschung im Bereich Supply Chain Governance veröffentlichen"
Am 3. November 2025 veranstalteten wir einen Workshop mit Prof. Dr. Andreas Wieland von der Copenhagen Business School (CBS) zum Thema Publishing Interdisciplinary Research on Supply Chain Governance. Wieland, Co-Editor-in-Chief des Journal of Supply Chain Management (JSCM), gab einen offenen und aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen des Spitzen-Akademieverlagswesens und erklärte, was es braucht, um Arbeiten zu veröffentlichen, die über Disziplingrenzen hinweggehen.
Das JSCM gilt als eines der renommiertesten Journale in diesem Bereich und zeichnet sich durch seinen konzeptionellen und interdisziplinären Fokus aus. Es kombiniert qualitative und quantitative Ansätze in etwa gleichem Maß und ermutigt Autor:innen, ihre Forschung mit breiteren theoretischen und gesellschaftlichen Fragestellungen zu verknüpfen. Anders als Journale, die sich hauptsächlich auf operative oder logistische Prozesse in der Supply Chain konzentrieren, sucht JSCM nach Arbeiten, die Lieferketten mit größeren theoretischen und gesellschaftlichen Fragen verbinden.
Jedes Journal, erklärte Wieland, habe seine eigene Redaktionkultur und eigene Kriterien, die unterschiedliche Erwartungen an Theorie, Daten und Methoden ausbalancieren. Für Nachwuchsforschende bedeutet das nicht nur, zu lernen, wie man einen Artikel schreibt, sondern auch, wie man die eigene Arbeit in diesem Umfeld positioniert: zu verstehen, welche Art von Theorie oder Beitrag ein Journal schätzt und wie die eigenen Grundannahmen dazu passen. Wieland ermutigte die Teilnehmer:innen, dies als Lernprozess zu sehen, der dabei hilft, die eigene wissenschaftliche Stimme zu schärfen. Einige Journale bevorzugen die Theoriebildung, andere legen den Schwerpunkt auf Daten; einige schätzen positivistische Präzision, andere interpretative oder historische Tiefe.
Als hochrangiges Journal (ABS 4, Impact Factor 9,9 (Rang 14 in Management)) mit einer Akzeptanzrate von rund 4 % legt JSCM größeren Wert auf originelle theoretische Beiträge als auf methodische Perfektion. Wieland betonte, dass die stärksten Arbeiten nicht diejenigen mit den komplexesten Daten sind, sondern diejenigen, die ein „Puzzle lösen“, einen Konsens hinterfragen oder eine Kontroverse klären. Entscheidend sei eine klare Idee und echte Neugier, so Wieland.
Er sprach auch über die Herausforderungen für Forschende, deren Arbeit disziplinübergreifend ist oder eine kritische Perspektive einnimmt. Journale arbeiten innerhalb bestimmter Traditionen und politischer Kontexte, die manchmal beeinflussen, welche Arbeiten veröffentlicht werden – und wo. Mit diesen Unterschieden zwischen Disziplinen und Herangehensweisen umzugehen, sei einfach Teil der Realität interdisziplinärer Forschung.
Beim Blick auf die Journallandschaft in der SCM-Forschung hob er hervor, dass jedes Journal seine eigene Kultur und Erwartungshaltung hat – manche legen mehr Wert auf Theorie, andere auf Daten oder Methode. Für Nachwuchsforschende besteht die Herausforderung nicht nur darin, gute Artikel zu schreiben, sondern auch das richtige Journal für ihre Arbeit zu finden und zu verstehen, welche Art von Beitrag geschätzt wird. Er sprach auch über Rankings und Reputation, wie ABS oder VHB. Diese Listen können zur Orientierung oder für systematische Reviews nützlich sein, sollten aber nicht den eigenen wissenschaftlichen Wert oder die Richtung bestimmen. Was als „Top-Journal“ gilt, hängt oft von Disziplin und Kontext ab; das eigentliche Ziel ist es, bedeutend zu den relevanten wissenschaftlichen Diskussionen beizutragen.
Die Teilnehmer:innen diskutierten, dass transdisziplinäre oder kritische Journale oft um Anerkennung kämpfen, weil sie außerhalb etablierter Kategorien liegen. Publikationssysteme sind "buttom-up" organisiert. Dennoch ermutigte Wieland die Forschenden, strategisch, aber realistisch zu bleiben: Es ist gut, auf ein „PetPaper“ in einem Top-Journal zu zielen, aber noch wichtiger ist es, zu wissen, welcher Forschungskultur man angehören möchte. In unserem Wissenschaftsraum, das die Governance globaler Wertschöpfungsketten interdisziplinär untersucht, fand das besonderen Anklang.
Wieland gab außerdem Einblicke in den Redaktionsprozess, vom Erstscreening bis zum Triple-Blind-Review-System des JSCM. Redaktion und Gutachter:innen agieren dabei sowohl als Gardeners als auch Gatekeeper – sie fördern vielversprechende Ideen und wahren zugleich akademische Standards. Gutes Begutachten sollte „wie Berghain“ sein – schwer reinzukommen, aber einmal drinnen, eine bereichernde Erfahrung. Er sprach auch Bias und Bevorzugung in der Publikation an. Kein System sei perfekt, räumte er ein, aber Offenheit, Transparenz und sorgfältiges Begutachten helfen, Vertrauen zu schaffen.
Über praktische Hinweise hinaus lud Wieland die Teilnehmer:innen dazu ein, über ihre eigene Motivation für Forschung nachzudenken. Warum schreiben wir Theorie? Was wollen wir beitragen? Theorie sei nie neutral – sie spiegelt wider, was Forschende für wichtig halten. Statt Theorie als abstrakt zu sehen, sollte sie als Kommunikationsmittel verstanden werden, um empirische Arbeit mit größeren Fragen zu verbinden. Er betonte auch, dass Methoden zu den Annahmen und der Komplexität der Studie passen müssen, damit das, was man zu wissen vorgibt, mit der Art der Untersuchung übereinstimmt.
Insgesamt ermutigte er zu theoretischer Neugier – dem Drang, Puzzel zu lösen, Komplexität anzugehen und Ideen zu entwickeln, die über einfache Beschreibungen hinausgehen. Theorien sollten, so Wieland, nicht nur erklären, sondern neue Perspektiven eröffnen. Publizieren geht nicht nur um Kennzahlen oder Prestige; es geht darum, Ideen zu entwickeln, wichtige Fragen zu stellen und zur wissenschaftlichen Diskussion beizutragen – ein Ansatz, der die interdisziplinäre und kritische Arbeit unseres Wissenschaftraums widerspiegelt.
Text & Fotos: Christopher Venzky-Stalling